Buchbesprechung / Rezension

Der unterlegende Mensch.

Die Zukunft der Menschheit im Angesicht von Algorithmen, künstlicher Intelligenz und Robotern. Buch von Armin Grunwald

Sie haben gerade Ihre Frau ganz verliebt zum Essen eingeladen! Doch Ihre Antwort fällt „irgendwie“ anders aus: „Lass uns zu Fuß gehen, denn nach meinem Schrittzähler muss ich heute noch was tun. Und vorher muss ich noch in meiner App nachschauen, wie viele Kalorien ich heute überhaupt noch essen darf“. Upps – sind wir Menschen der Technik wirklich schon so ausgeliefert? Armin Grunwald, Deutschlands führender Technikfolgenabschätzer, gibt mit seinem Buch den Sorgen um die Entwicklung der Digitalisierung eine Bühne und durchleuchtet sie kritisch.

Bild: riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH
Bild: riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH

Disclaimer: Das Buch wurde mir durch den Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Verlag bezahlt mich nicht für diesen Blogartikel oder Backlink. Die Rezension schreibe ich aus eigenem Antrieb.

Zugegeben, so manche App auf dem Smartphone finde ich ja auch genial – aber muss sie wirklich mein Leben bestimmen? Und ist es nicht kritisch, dass unsere Weltwirtschaft ohne Internet schon gar nicht mehr auskommt? Doch genau hier wird vom Buchautor Armin Grunwald „der Finger in die Wunde gesteckt“! Denn ist es nicht eher so, dass wir immer mehr unsere Souveränität an die Technik abgeben und so davon völlig abhängig werden?

 

Vorbei also die Zeiten, wo eine Lösung noch mit der Hilfe von Experten, Fachbüchern oder in Lexikas (die Älteren werden sich vielleicht noch erinnern. Ich meine diese mehrbändige Buch-Ausgabe, die für viel Geld gekauft wurde und heute in manchem Regal als Zeuge einer vergangenen Zeit „verstaubt“…) gesucht wurde

Heute wird dagegen schnell mal „gegoogelt“! Doch sind wir mit dem Ergebnis auch zufrieden? Verleitet dies nicht eher zu Sorglosigkeit und Bequemlichkeit, so Grunwald? Denn hinterfragen wir überhaupt noch die Ergebnisse, oder sind wir „nur“ begeistert, wie Alexa & Co uns so schnell geholfen haben? Ddenken wir dabei überhaupt noch daran, ob wir es sind, die die Technik steuern und ob sich diese Rolle nicht schon längst gedreht hat – sprich wir die Unterlegenen sind?

 

Aber die Digitalisierung hat uns doch weitergebracht! Sicher richtig, und so finden sich auch zahlreiche Beispiele im Buch. Ist es nicht genial, welche Datenmengen Sie in Ihrem Smartphone abspeichern können? Oder dass Sie Dank Ihres Navis im Auto zielsicher in völlig unbekannte Städte fahren können, ohne sich umständlich durch Kartenmaterial durchzuarbeiten? Und dass von Ihnen gewünschte Datenabfragen i.d.R. ruckzuck zur Verfügung stehen, da „im Hintergrund“ schnellste Rechner und effektive Rechenleistung („Algorithmen“) zur Verfügung stehen?

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 Beeindruckende Beispiele, doch auch diese haben die berühmten zwei Seiten der Medaille. Klar ist, dass Technik immer für einen bestimmten Zweck entwickelt worden ist und uns Menschen somit durch diese klare Ausrichtung und ständige Weiterentwicklung weit überlegen ist! Aber dies kann zum Problem werden, wenn die Technik selbst über ihren Einsatz entscheidet – und nicht mehr wir Nutzer! Armin Grunwald bringt so immer wieder den Leser ins Grübeln – das macht Freude und animiert, das Buch nicht nur als Lesestoff, sondern als „Antriebsenergie“ für die eigenen Überlegungen zu nutzen.

 

In einem weiteren Kapitel geht der Autor auf die digitale Arbeitswelt von morgen ein. Verschiedenste Szenarien sind da denkbar, die alle die Arbeitswelt von morgen möglicherweise komplett anders aussehen lassen. Aber auch bei dieser Entwicklung sollten wir wachsam sein und diese möglichst auch aktiv und positiv mitgestalten. Denn nur so haben wir vielleicht eine Chance, dass (Krankheits-)Bilder unserer Arbeitswelt wie Divertikulitis, Burn-out, Herzprobleme, Erschöpfung und Depression hoffentlich schon bald wieder zur Ausnahme und nicht zur Regel werden. Die Digitalisierung bietet Chancen, kann aber kein „Selbstläufer hin zu einer menschlichen Arbeitswelt“ darstellen, so Armin Grundwald.

 

Dann ein weiterer Blick in die Zukunft: wie kann der digitale Fortschritt uns in Freizeit und Alltag nicht nur unterstützen, sondern auch Arbeit abnehmen? Ein Beispiel dafür sind altersgerechte Assistenzsysteme, die u.a. bei einem Sturz des Anwenders automatisch eine Rettungskette auslösen. Perfekt, denn so wird dem Anwender mehr Sicherheit für das selbstbestimmte Leben gegeben. Doch was ist mit Staubsaugrobotern oder intelligenten Kühlschränken und Herden? Sicherlich sind manche Tätigkeiten zuweilen schon etwas lästig. Aber - bestimmen sie denn nicht auch unser Leben und machen es erst so richtig rund? „Genuss ist wunderbar, wenn er nicht unserer Bequemlichkeit zum Opfer fällt“, so die Worte von Armin Grunwald, die irgendwie doch einige Zeit beim Leser nachhallen.

 

Aber Technik unterstützt uns doch in vielen Bereichen, so der oft geäußerte Einwand. Das mag ja sein (und auch ich will auf die Möglichkeiten des Internets wirklich nicht verzichten), aber wie frei bin ich dabei?

Ist beispielsweise die Handhabung von Haushaltsgeräten für uns Nutzer wirklich einfach – oder hat dies nur „jemand“ so definiert? So durfte ich kürzlich unsere neue Waschmaschine in Betrieb setzen – ganz ehrlich war ich beim Studieren von Bedienungsanleitung und Display doch zeitweise am Grübeln, ob ich es mit einem Studium der Raumfahrttechnik nicht vielleicht schneller verstanden hätte.

 

Oder die Nutzung der Suchmaschinen im Internet, die mir suggerieren, die für mich besten Ergebnisse zur Verfügung zu stellen. Doch dabei muss ich auch akzeptieren, dass ein Dritter (die Programmierer oder/und die Geschäftsführer der Suchmaschine) definiert hat, wie die Suchmaschine arbeiten soll und warum welche Ergebnisse dem Anwender gezeigt werden sollen.

 

Wie fasst es Armin Grunwald so schön zusammen: „wir passen uns nicht der Technik als solche an, sondern an die Werte, an die gesellschaftlichen Vorstellungen und an die Interessen ihrer Macher und Auftraggeber“.

 

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Und so werden im Buch noch weitere Aspekte der digitalen Entwicklung vom Autor eingehend untersucht. Weiterführende Definitionen (abgesetzt in Informationskästen), Querverweise und Zitate geben dem Leser weitere Informationspakete an die Hand. Man spürt, dass hier Ergebnisse aus vielen Diskussionen und Studien zusammengetragen und aufbereitet worden sind. Das Buch regt an zum Weiterdenken. Wie geht man eigentlich selbst Digitalisierung seiner Umwelt um? Aber auch im Austausch mit Anderen – und dies am liebsten so richtig analog in einer anregenden Runde. Als „alter“ Onliner stimme ich da völlig zu, auch wenn ich die Möglichkeiten von Webinaren auch faszinierend finde (und einsetze). Doch wie beschreibt es Armin Grundwald so schön: „Digitale Techniken sind vielfach wunderbare Mittel zum Zweck – aber sie sind nicht der Zweck selbst.“ Das sollte uns immer bewusst sein.

Autor: Andreas Paersch

Weitere Informationen zum Buch: => Der unterlegene Mensch


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