Nachhaltigkeit und bienen

123rf.com 40544977 | Apinan Tangsriwong
123rf.com 40544977 | Apinan Tangsriwong

Bienen haben ein ausgesprochen positives Image. Honig, Bienenwachs und Propolis gelten als gesund, und die Tiere selbst als Vorbilder für Fleiß und soziales Miteinander. Beim Thema Nachhaltigkeit zeigt das Verhältnis von Mensch und Honigbiene, dass man vieles falsch machen kann - aber auch, wie einfach ein Beitrag zum Schutz der Natur möglich ist. Ein Gastartikel von Dr. rer medic. Harald Stephan.

 

Das Konzept der Nachhaltigkeit ist eigentlich simpel: Nutze das, was dir zur Verfügung steht und sorge dafür, dass deine Nachkommen auch noch etwas davon haben. Vorausschauendes Handeln ist im besten Sinne des Wortes konservativ – es gilt die natürlichen Ressourcen zu erhalten und für künftige Generationen zu bewahren.

Ähnlich planvollem Vorgehen verdanken wir unseren Honig: Bienen überleben nur mit Wintervorrat die kalte Jahreszeit. Sie benutzen ihn als Heizmittel, indem sie mit zitternden Flugmuskeln Wärme produzieren. Haben sie zu wenig gesammelt oder wird es längere Zeit extrem kalt, stirbt das Volk. Honigbienen sorgen so gut vor, dass wir uns einen Teil ihrer Vorräte abzwacken können und die nächste Generation trotzdem etwas davon hat.

 

Erst stirbt die Biene, dann stirbt der Mensch

Unabhängig vom Honig sind wir bei der Bestäubung auf Bienen angewiesen. Honigbienen erledigen das gemeinsam mit Wildbienen bei den meisten Obst- und Gemüsesorten – ohne sie wären die Supermarktregale leer. Dessen ungeachtet setzen wir ihnen mit eintönigen Monokulturen, Pestiziden und Umweltverschmutzung zu. Das Bienensterben betrifft vor allem die nicht vom Imker betreuten Wildbienen. Allein in Deutschland gibt es über 350 Arten, von denen die meisten inzwischen auf der Roten Liste stehen.

 

Woanders ist die Misere bereits groß. Nach der Bekämpfung der Spatzen als Ernteschädlinge vermehrten sich in China die Schadinsekten explosionsartig. Dem versuchte man mit Pestiziden zu begegnen und vernichtete damit einen Großteil der Bienenpopulationen. Heute müssen vielerorts „menschliche Bienen“ Obstbäume mühsam von Hand bestäuben.

 

In den USA ließen riesige Monokulturen und Pestizide die natürlichen Bienenbestände so weit schrumpfen, dass Farmer auf „bees to rent“ angewiesen sind. Sie lassen Berufsimker ihre Völker dort aufstellen, wo man sie gerade für die Bestäubung benötigt.

 

Hochleistungsbienen durch Varroa-Milben besonders gefährdet

In Europa verschlimmert die aus Asien eingeschleppte Varroa-Milbe das Bienensterben. Für die fernöstliche Honigbiene ist sie kein existenzbedrohendes Problem, aber für unsere einheimische Apis mellifera. Nicht anders als bei Schweinen und Hühnern gibt es bei uns fast nur noch auf maximalen Ertrag getrimmte Hochleistungsrassen. Die alten Bienensorten putzten sich wie ihre asiatischen Verwandten gegenseitig die Milben aus dem Pelz, wohingegen die neuen so auf Honigsammeln fixiert sind, dass sie die soziale Fellpflege vernachlässigen. Die Blutsauger schwächen die ohnehin von Pestiziden und Umweltgiften gebeutelten Völker so sehr, dass sie den Winter häufig nicht überleben.

 

Zusätzlich unterstützt das Styropor und Plastik vieler moderner Bienenstöcke die Ausbreitung der Schädlinge. Mangels Durchlüftung steigt die Luftfeuchtigkeit, es bildet sich Schimmel und die Bücherskorpione flüchten. Die kleinen Krabbler waren in klassischen Strohkörben gern gesehene Mitbewohner, die ihre Miete mit der Bekämpfung von Milben und anderen Parasiten beglichen.

 

Bessere Zusammenarbeit von Imkern und Landwirten

In der Landwirtschaft kümmert man sich aus gutem Grund immer besser um den Schutz der Bienen. Grünstreifen durchziehen Ackerflächen und erhöhen mit bienenfreundlichen Wildkräutern die Artenvielfalt. Bauern achten auf bienenverträgliche Pflanzenschutzmittel und bringen sie zu Zeiten aus, in denen möglichst wenig Tiere unterwegs sind. Zudem geben sie benachbarten Imkern vor dem Spritzen Bescheid, damit sie ihre Völker rechtzeitig woanders unterbringen können. Im Gegenzug sorgen die für ein paar zusätzliche Bestäuber, wenn es gerade irgendwo blüht. So bekommt der Imker mehr Honig und der Bauer eine größere Ernte.

 

Was jeder selbst für die Bienen unternehmen kann

Der Verbraucher bestimmt Angebot und Nachfrage und entscheidet über das Interesse der Industrie an Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Darüber hinaus kann jeder von uns etwas zum Schutz von Bienen und Natur beitragen.

  • Honig kaufen - am besten bio, regional und vom Imker
    Honig vom Imker um die Ecke hat keine Weltreise mit großem CO2-Abdruck hinter sich, und die Qualitätsanforderungen des Deutschem Imkerbundes gehören weltweit zu den strengsten überhaupt. Bei deutschem Honig bleibt man von Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen, hohen Pestizidbelastungen oder Fälschungen mit Malzsirup verschont, denen man bei industriellen „Mischungen aus EU- und Nicht-EU-Ländern“ häufig begegnet. Bei Bio-Honig sind die Bestimmungen noch umfassender.

  • Bienengerechte Bepflanzung
    Egal ob Garten, Terrasse oder Balkon: Jede Blüte hilft. Wildbienen siedeln immer öfter in urbanen Gebieten und sind für jede Unterstützung dankbar, ebenso wie Schmetterlinge, Nachtfalter und andere Nektarsammler. Bei der Bepflanzung sollte man einheimische Gewächse bevorzugen und auf Exoten verzichten, die nur Kolibris und andere Nahrungsspezialisten bestäuben können. Zauberglöckchen oder Küchenkräuter liefern reichlich Nahrung. Einfache Blüten bei Tagetes und Petunie bieten mehr Nahrung als gefüllte Varianten.

  • Aufstellen von Wildbienenhotels
    Wildbienenhotels geben solitären Arten Unterschlupf. Allerdings locken viele handelsübliche Modelle eher kauflustige Menschen als wohnungssuchende Bienen an. Harzreiches oder rissiges Holz, Baumscheiben und unnötiger Zierrat wie Tannenzapfen oder Schneckenhäuser sind vollkommen ungeeignet. Mit selbstgebauten Nisthilfen fährt man in der Regel besser und billiger – sauber geschnittene Strohhalme und Bambusröhrchen in einer Konservendose reichen aus. Was alles zu beachten ist kann man in Bauanleitungen aus Internet oder Buchhandel nachlesen.

  • Honig als Hausmittel und in der Medizin
    Honig, Pollen, Propolis, Bienenwachs und Gelée royale fördern mit ihrem positiven Image die Verkaufszahlen von Medizinprodukten, Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika. Vieles davon kann man aber auch ganz einfach selber herstellen. Insbesondere Honig ist ein altes Hausmittel – mit geschnittenen Zwiebeln liefert er einen wirksamen Hustensirup. Sogar gegen Hämorrhoiden hilft das Bienengold.
    Für die Wundheilung war Honig seit der Antike in Gebrauch, bis Antibiotika ihn verdrängten. Mit der zunehmenden klinischen Relevanz chronischer Wunden und multiresistenter Keime gewinnt er wieder an Bedeutung. Er hält Wunden keimfrei, lässt sie schneller verheilen und ist von Resistenzen unbeeindruckt. Kratz- und Schürfwunden heilen mit etwas Honig oft besser ab als mit einer käuflichen Salbe.

  • Kosmetik mit Honig und Bienenwachs selber machen
    Bienenwachs hält die Haut feucht und elastisch und ist in vielen Pflegeprodukten zu finden. Eine Salbe kann man ganz leicht selbst herstellen, indem man geschmolzenes Bienenwachs mit einem hautpflegenden Öl wie Arganöl oder Avocadoöl mischt. In einer Haarspülung sorgt ein wenig Honig für glänzendes und elastisches Haar. Auf die Lippen getupft hält er diese geschmeidig und ist allemal gesünder als ein Lippenstift mit Mineralöl.

  • Bienenwachstücher als natürliche Alternative zu Plastik
    Bienenwachstücher sind einfach herzustellen, wiederverwendbar und umweltfreundlicher als Frischhaltefolie oder Aluminiumfolie. Dazu tränkt man Lein- oder Baumwolltücher mit geschmolzenem Bienenwachs und etwas Öl, das für mehr Geschmeidigkeit sorgt. Bienenwachs enthält kleine Mengen Propolis, das die Bienen zur Desinfektion verwenden. Daher halten mit Bienenwachstüchern abgedeckte Lebensmittel länger. Nur bei rohem Fleisch, Fisch und Geflügel sollte man sie vermeiden, da diese heutzutage häufig mit Keimen belastet sind und eine gründliche Desinfektion der Abdeckung erfordern.

Quellen, Links und weiterführende Literatur

 

  1. Burlando B, Cornara L. Honey in dermatology and skin care: a review. J Cosmet Dermatol. 2013 Dec;12(4):306-13. doi: 10.1111/jocd.12058. Review.

  2. Byers D: Natural Beauty Basics: Create your own cosmetics and body care products. Vital Health Publishing 2003. ISBN-10: 1890612197.

  3. Ediriweera ER, Premarathna NY. Medicinal and cosmetic uses of Bee's Honey - A review. Ayu. 2012 Apr;33(2):178-82. doi: 10.4103/0974-8520.105233.

  4. Pinto CT, Pankowski AJ, Nano FE. The anti-microbial effect of food wrap containing beeswax products. Journal of microbiology, biotechnology and food sciences 2017 7(2):145-148. doi: 10.15414/jmbfs.2017.7.2.145-148.

  5. bienen.info: Wildbienenhotel – Alles Wissenswerte zu Nisthilfen für wilde Bienen.

Autor: 
Dr. rer medic. Harald Stephan

Wissenschaftler, Publizist, Illustrator

 

"Ich habe in Saarbrücken Biologie studiert und an den Universitäten Marburg, Bochum und Essen-Duisburg in Forschung und Lehre gearbeitet. Vor einigen Jahren habe ich mich als promovierter Gesundheitswissenschaftler selbständig gemacht und schreibe seitdem vor allem fürs Internet. Thematisch geht es meistens um Medizin, Gesundheit, Ökologie und nachhaltiges Leben. Der eine oder andere Artikel aus meiner Feder ist Ihnen bestimmt in der Rentner-Bravo aus der Apotheke oder online begegnet – mittlerweile sind es mehr als tausend…"

 



Harald Stephan ist freier Autor von Bienen.info

Bienen.info wurde im Jahr 2019 gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Standards, aus der Welt der Bienen zu berichten.

Weitere Infos: www.bienen.info