Souveräner mit dem Stress umgehen

Gastbeitrag von Birgit Terletzki, Ergonomieberaterin und Stressbewältigungstrainerin

Jeder ist ab und an mal gestresst, das ist auch in Ordnung, denn Stress ist ein lebensnotwendiger Vorgang. Er gehört zu unserem Privat - und Berufsalltag dazu. Im Beruf müssen wir uns motivieren, um unser Bestes geben zu können. Vorgaben und Erwartungen, manchmal auch ein gewisser Zeitdruck können uns dabei behilflich sein. 

Sie können dazu führen, dass wir unsere Arbeit schnell, effizient und gut erledigen. Doch wenn uns die Anforderungen permanent an unsere Grenzen bringen und wir das Gefühl haben, die Kontrolle zu verlieren, dann geraten wir in negativen Stress. Stress, welcher uns auf Dauer krank macht.

Fotolia 42403394 | Urheber: cirquedesprit
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Die Auslöser für das Gefühl des Kontrollverlustes, welchen wir bewusst meist gar nicht als solchen wahrnehmen, sind vielfältig. Immer mehr Arbeitgeber setzen beispielsweise eine ständige Erreichbarkeit ihrer Mitarbeiter per E-Mail oder Handy voraus – das macht ein Abschalten vom Job fast unmöglich. Häufig sind gestresste Menschen zudem Perfektionisten, die hohe Anforderungen an sich selbst stellen und äußerst gewissenhaft arbeiten. Sie sind oft der Ansicht, ihre Umwelt nur so wirklich zufriedenstellen zu können. Daher lässt es ihr enormes Verantwortungsbewusstsein auch nur selten zu, Aufgaben an andere zu delegieren. Aber auch der psychische Druck, immer mehr geben zu müssen, damit man zum Beispiel von der Entlassungswelle des Unternehmens verschont bleibt, führen zu dauerhaftem Stress.

 

Doch permanente Anspannung und Überforderung bringen die innere Balance schnell aus dem Gleichgewicht. Stress kann sich dann auch körperlich bemerkbar machen – zum Beispiel durch Schwitzen, Unkonzentriertheit, Nervosität, wiederkehrende Infekte bis hin zu Magen-Darm-Problemen oder Herz-Kreislauf-Störungen. Finden die Betroffenen dann auch noch in der Nacht keinen erholsamen Schlaf, kommen Erschöpfung und Übermüdung hinzu.

 

Aber: Wir Menschen können mit stressigen Situationen in der Regel gut umgehen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass man die Stressursachen und Stressfaktoren kennt. Denn dann ist man recht gut in der Lage, Mittel und Wege zu finden, um diese zu minimieren, zu reduzieren oder im besten Fall erst gar nicht aufkommen zu lassen. 

Mögliche Faktoren, die zu Stress führen können:

  • Termindruck, Zeitnot und Hetze

  • hohe Verantwortung am Arbeitsplatz

  • Unzufriedenheit mit meinen Arbeitsbedingungen

  • ständige Unterbrechungen meine Arbeit durch z.Bsp. E-Mails, Telefonate und Störungen durch Kollegen

  • lange Anfahrten zum Arbeitsplatz

  • hohe familiäre Verpflichtungen

  • hohe soziale Verpflichtungen

  • Finanzielle Sorgen

  • Probleme mit der Partnerschaft und / oder den Kindern

  • Zeiteinteilung des Tagesablaufes

  • Stress mit dem Chef oder den Kollegen

 

Das sind nur ein paar Möglichkeiten, die zu Druck führen können. Es gibt noch weitaus mehr Faktoren, die individuell Ursachen für Stress sein können.


Zudem fanden Forscher, darunter auch die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“, heraus, dass die Geschlechter unterschiedlich auf Stress reagieren. Während Frauen ihre Verärgerung lieber in Gesprächen zum Ausdruck bringen, begegnen Männer Stress in ihrem Alltag eher mit Verdrängung oder Rückzug. Sie suchen zudem wesentlich häufiger in Suchtmitteln wie Alkohol und Zigaretten Zuflucht, anstatt nach Lösungswegen zu suchen. Doch auch wenn Männer und Frauen unterschiedlich auf Stress reagieren, so sind sie durch Zeit- und Leistungsdruck sowie Überforderung gleichermaßen betroffen. Auch Monotonie am Arbeitsplatz, fehlende Anerkennung und die Angst, den Job womöglich zu verlieren, belasten sie in gleicher Weise.

Frauen leiden dabei häufig unter einer Mehrfachbelastung: Als Mütter, Hausfrauen und Berufstätige müssen sie mitunter in gleich mehreren Lebensbereichen enormen Druck aushalten. Wer dabei von Haus aus sehr harmoniebedürftig ist, leidet meist besonders unter angespannten Situationen und Konflikten. Daher ist es keine Lösung, Probleme zu ignorieren oder angespannte Situationen dauerhaft beizubehalten. Im Gegenteil: Das ist allenfalls der direkte Weg in Richtung Depression, Krankheit und Burnout.


Mögliche Wege, um den Druck zu minimieren und Stress zu reduzieren:

Natürliche Hilfsmittel gegen Stress

In besonders hektischen Zeiten kann daher neben regelmäßiger Bewegung das Erlernen und Ausüben von Entspannungstechniken sehr hilfreich sein, damit der Körper im Gleichgewicht bleibt. Dazu zählen vor allem Meditation, Yoga und Autogenes Training, wodurch man in stressigen Situationen bewusst innehalten kann. Indem man dem eigenen Atem dabei folgt, wie er in den Körper hinein- und wieder hinausströmt, kann man Stress hervorragend ausblenden. Viele Menschen schwören dabei auch auf die Unterstützung von Aromalampen und Entspannungsmusik.

 

Freiräume schaffen

Besonders wichtig sind auch persönliche Erholungszeiten, die übrigens überhaupt nichts mit Egoismus zu tun haben. Wer dennoch dauerhaft überlastet und gestresst ist, sucht sich am besten Hilfe. Im Berufsleben sollte zudem überprüft werden, welche Aufgaben und Tätigkeiten besonders viel Zeit einfordern. Dabei kann es helfen, einen konkreten Zeitrahmen für Telefonate und Besprechungen festzulegen und auch einzuhalten. Sinnvoll ist es zudem, Prioritäten täglich zu überprüfen und das eigene Tagespensum genau durchzuplanen. So lassen sich die wirklich wichtigen Aufgaben identifizieren und sinnlose Zeitfresser eliminieren. Unwichtiges sollte möglichst delegiert werden. Die dadurch entstehenden freien Zeitfenster lassen sich dann bewusst für Erholung nutzen. Sei es regelmäßiger Sport, ein gutes Buch, Saunabesuche, Spaziergänge oder Treffen mit Freunden – eine aktive Gestaltung der freien Zeit sorgt für den benötigten Abstand vom Alltagsstress.

 

Ändere Dinge, die du ändern kannst

Stress baut sich Zug um Zug auf. Wenn du deine persönlichen Stressfaktoren kennst, dann erkennst du auch, was du selbst ändern kannst. So gewinnst du die Kontrolle über dich zurück und kannst bei aufkommendem Druck gezielt gegensteuern.

Sicher gibt es auch Dinge, die du nicht ändern kannst und als gegeben hinnehmen musst. Doch die Einsicht darüber, dass sich dieser eine Punkt nicht ändern lässt, wird dich dazu bringen zu überlegen, wie du zukünftig damit souveräner umgehen kannst. Und schon nimmst du den Druck heraus.

 

Organisiere deinen Tagesablauf

Häufig geraten wir in Stress, weil uns die Zeit davon läuft. Doch der wahre Grund ist, dass wir uns einfach viel zu viel vornehmen und keinen Puffer für unvorhergesehene Dinge einbauen. Denn Zeit ist immer vorhanden - gleichmäßig vorhanden.

Schaue also einfach mal, mit was du deinen gesamten Tag so voll packst. Das Beste ist, du notierst dir über eine Woche lang alles ,was du täglich machst und wieviel Zeit du damit verbringst.

 

Schnell wirst du erkennen, dass bei dem ein oder anderen Punkt du in Zeitnot gerätst, weil die Termine zu eng aneinander liegen. Vielleicht findest du ja Tätigkeiten, die du aufs Wochenende verlegen kannst. Oder du suchst dir Hilfe und verteilst einiges in der Familie. So kannst du beispielsweise jemanden dafür bezahlen, der deine Wohnung sauber macht. Glaube mir, dass spart so unendlich viel Zeit, die man dann entspannt mit seiner Familie verbringen kann. Oder du suchst dir jemanden, der deine Fenster regelmäßig putzt, die Bügelwäsche macht oder den Garten pflegt. Sei kreativ, setze dich am besten mit deinen Lieben zusammen und diskutiere, wie man mehr Zeit für sich und die Familie gewinnen kann. Wer was übernehmen und was man mit gutem Gewissen outsourcen kann.

 

Mache bewusst Pausen

Pausen sind wichtig, um wieder aufzutanken, um Kraft für die nächste Aufgabe zu sammeln, um die Leistungsfähigkeit zu erhalten. Deshalb baue in deinen Arbeitsalltag mehrmals kleine Pausen ein. Gehe kurz vor die Tür, um Durchzuatmen und sich mal richtig zu strecken. Hole dir in der Kaffeeküche einen Kaffee und trinke diesen ganz in Ruhe und lass deine Gedanken zum Beispiel zum letzen Urlaub schweifen.

 

Ändere deine Erwartungshaltung

Stress verursachen wir oft selbst, indem wir an uns überhöhte Erwartungen stellen, mehr von uns abverlangen, als unser Körper in der Lage ist zu geben.

Lerne zu reden

 

Wenn wir unsere Unzufriedenheit in uns hineinfressen, dann „zerfressen“ wir uns selbst im wahrsten Sinne des Wortes. Es staut sich der ganze Frust in uns an, wir werden krank oder ticken irgendwann aus. Stress lässt sich oft vermeiden, wenn man über die Situation spricht, die zum Stress geführt hat. Niemand kann in dich hineinsehen und wenn du alles erledigst, auch wenn du dich damit überfordert fühlst, dann denken die Kollegen es ist alles in Ordnung. Du machst das ja. Rede also mit deinen Kollegen oder mit dem Chef - denn das zeigt auch, dass du teamfähig sind. Wenn du nämlich alles in dich hineinfrisst, wirst du über kurz oder lang Fehler machen, welche sich auf deine Arbeit aber auch auf das gesamte Team auswirken.

 

Sorge für einen erholsamen Schlaf

Allerspätestens wenn Nervosität und Anspannung den Tagesablauf bestimmen und einen die eigenen Sorgen nachts um den Schlaf bringen, sollte man nach konkreten Lösungen suchen. So einfach und plausibel es auch klingt, rechtzeitig ins Bett zu gehen, einzuschlafen und am nächsten Tag wieder ausgeruht aufzuwachen – in der Realität gestaltet sich genau das mitunter als äußerst schwierig. Zwar fallen viele abends müde ins Bett, können aber dennoch nicht gleich einschlafen. Anstatt endlich zur Ruhe zu kommen, beginnt vielmehr eine innere Unruhe. Die Gedanken kreisen dann häufig um den Alltagsstress und sorgen dafür, dass man gar nicht oder nur sehr leicht schläft. Viele schrecken nachts sogar regelmäßig aus dem Schlaf hoch. Da verwundert es kaum, dass sich die Angst vieler verstärkt, den täglichen Anforderungen in unausgeschlafenem Zustand erst recht nicht mehr genügen zu können.

 

Achtet man jedoch tagsüber darauf, genügend Entspannungsmomente in sein Alltagsgeschehen einzuflechten, nimmt man abends automatisch weniger Sorgen und Stress mit ins Bett. Neben Entspannungstechniken eignen sich dabei auch natürliche Arzneimittel, (Bsp. Baldrian, Lavendel oder Hopfen) die zwar dabei helfen, ausgeglichener zu werden, die Leistungsfähigkeit jedoch nicht negativ beeinflussen. Damit die Nacht auch wirklich ruhig und erholsam ist, sollte man Sorgen und Probleme im Vorfeld so gut es geht ausschalten. Das gilt auch für spannende TV-Krimis, die im Schlafzimmer nichts zu suchen haben. Da eine unangenehm hohe Raumtemperatur und stickige Luft das Einschlafen erschweren, sollte man hier für Abhilfe sorgen. Leidet man nachts unter kalten Füßen, greift man besser zu Bettsocken oder einer Wärmflasche. Auch ein warmes Bad, leise Musik, ein Spaziergang oder ein Glas heiße Milch können das Einschlummern erleichtern.

 

Wer sich vom Schnarchen seines Partners gestört fühlt, sollte überlegen, in getrennten Zimmern zu schlafen. Gerade Frauen schlafen häufig schlechter, wenn sich ihr Partner im gleichen Raum schläft.

Stress ist allgegenwärtig und er ist auch in bestimmten Situationen hilfreich. Und solange man immer wieder für Entspannungsmomente und Regenerationsphasen sorgt, kann Stress deiner Gesundheit nichts anhaben. Mach dir bewusst, dass du selbst die Kontrolle über dein Leben hast. Und sobald du spürst, diese zu verlieren, gehe einen Schritt zurück und schau, warum dir diese entschwindet. Suche die Ursache, so kannst du gezielt gegensteuern und mit der Situation souverän umgehen.

 

Gastbeitrag: Birgit Terletzki (Profil)

Birgit Terletzki
Birgit Terletzki